Vorwort von Dr. Herbert Hoffmann

Anstelle eines Vorwortes


Es war in den späten Sechzigern, kurze Zeit nachdem der große "conducator" (Diktator) von der Blüte der Partei- und Staatsführung anstelle seines verblichenen Vorgängers in höchste Ämter Rumäniens hochkatapultiert worden war. Im "sozialistischen" Lager hatte es vorher eine Art "politischer Schneeschmelze" gegeben, deren Niederschlag und Schwanengesang der "Prager Frühling" sein sollte.


Ich wirkte damals beim Aufbau des neuen Freilichtmuseums "Bäuerliche Technik" in Hermannstadt mit, dessen agiler Leiter und Initiator, Dr. Irimie, es fertiggebracht hatte lokale und zentrale Kulturbonzen zur Bewilligung eines Symposions mit internationaler Beteiligung zu überreden. Die politische Konjunktur kam ihm zu Hilfe und eines Tages versammelte sich sozusagen alles, was in der europäischen Volkskunde Rang und Namen hatte, im "Jungen Wald", um das Kind aus der Taufe zu heben.


Da waren Forscher aus West- und Ostdeutschland, aus Holland, Österreich, aus Mittel- und Osteuropa, ja sogar aus dem fernen Brasilien eingetroffen und zwar so viele, dass man damit sage und schreibe 4 Großbusse zu füllen vermochte, die je einer Sprachgruppe zugedacht waren. Ich hatte den Auftrag, mich um die Deutsch sprechenden zu kümmern, zu denen auch Ungarn, Tschechen, Finnen u.a.m. gehörten. Wir fuhren im Schritttempo durch die malerische Landschaft des Altlandes in Richtung Törzburg und ich versuchte, den aufmerksamen Zuhörern einen volkskundlichen Eintopf bezüglich Siedlungsformen, Hausbau, Transhumanz, Volkstrachten, Hochzeitsbrauchtum der rundum wohnenden Völkerschaften mundgerecht zu machen. Kurz nach einem Exposè bezüglich der Kerzer Abtei war mir die Kehle trocken geworden und ich hatte eine kleine Verschnaufspause eingeschoben, ohne das Mikrofon, das zu solchen Reisebussen ja traditionsmäßig gehörte, auszuschalten. Da fragte mich ein neben mir sitzender Ungar in etwas verknautschtem Deutsch: "Kennen Sie den Witz, wo ein Hörer von Radio Eriwan fragt …". Und er erzählte völlig ohne jede sprachliche Hemmung einen der dazumal überall im sozialistischen Raum allgemein beliebten, naiv anmutenden, aber durchaus politikträchtigen, pointenreichen Witz bis zum Ende. Die Folge: natürlich allgemeine Heiterkeit und Gelächter, das sich aufgrund des Temperaments und Begriffsvermögens der Zuhörer, aber vor allem zufolge der geografisch-politischen Zugehörigkeit der Teilnehmer zu "Ost" oder "West" verschieden laut äußerte. Das heißt, sozusagen alle diesseits des eisernen Vorhangs angesiedelten Teilnehmer amüsierten sich königlich, wogegen die Übrigen entweder höflich lächelten oder so taten, als hätten sie den Witz verstanden, während der weitaus größte Teil verwunderte, ja fast betretene Blicke auf die plötzlich so ausgelassen lärmende Schar um sich her warf, als geniere man sich, unter eine Rotte ausgeflippter Narren geraten zu sein, deren weiteren Ausbrüchen man mit Skepsis entgegensah …

Damals, also vor rund 30 Jahren, führte mir dieses Erlebnis dramatisch vor Augen, wie tief die Trennlinie, die sich dazumal als vielfache Staatsgrenze mitten durch Europa hinzog und die ganze Welt in zwei Hälften spaltete, durch unser Denken verlief, viel tiefer, als man sich je hätte vorstellen können. Eine Tatsache, die übrigens die Entwicklung Ost-Mitteleuropas im letzten Jahrzehnt durchaus erhärtete…


Wozu diese Metafer als Glosse am Rande von Wolfi's heiterem und so vielseitigem Büchlein? Nun, wer nicht zumindest einige Jahre östlich des Stacheldrahtzaunes oder der Mauer verbracht hat, der vermag viele der Pointen bezüglich der Denkweise und des Verhaltens der Leute diesseits von Hegyeshalom (Grenzübergang aus Ungarn) kaum zu begreifen. Und umgekehrt, wer nicht sein Pensum an westlicher "Kultur", zumindest per Bildzeitung und SAT1, absolviert hat, versteht weder die Umgangssprache, noch die Mentalität der Bürger der "Ersten Welt."


Um Wolfi's Angebot an Meditation, Humor, nicht selten etwas gewagten Pointen zu verstehen, braucht man beides, denn seine "Geschichten oder was" sind eine Synthese in einem halben Menschenleben in beiden Welten erlangter Erfahrung und Erkenntnis. Und die beiden Komponenten lassen sich nicht voneinander trennen, ohne dass das Ganze an Aroma und "Finesse" einbüßt. Wolfi "erfand" die besondere Art, sich durch Schreiben scheinbar skurriler Erzählungen dem Alltagsstress und den Belastungen, denen er wie wir alle, im Beruf, in der Gesellschaft und - last but not least - in der Familie ausgesetzt ist, schlechthin dadurch zu entziehen, dass er an die Spitzen der uns überall bedrohenden Stacheln kleine bunte Papierblumen pappt und damit das uns umgebende dornige Gestrüpp an sich mit einem Schmunzeln in Frage stellt. Mögen die Musen, derer er ja viele zu haben scheint, seine Freude am humorigen Spintisieren noch lange und zur Freude seiner Leser und Freunde lebendig erhalten.